er Vorgarten ist das Aushängeschild eines Gebäudes. Er repräsentiert seine BewohnerInnen. Hier entsteht der erste Eindruck für Besucher: Fühlen Sie sich willkommen oder nicht, gefällt ihnen, was sie sehen, fühlen sie sich zur Nachahmung angeregt oder irritiert? Hier zeigt sich schon die Persönlichkeit der Besitzer und vielleicht entstehen Gespräche mit Nachbarn und Passanten. Ein offen einsehbarer Vorgarten oder Garten signalisiert Vertrauen und die Bereitschaft, mit der Umgebung in Austausch zu treten.
„Im Vorgarten entsteht der erste Eindruck für BesucherInnen.“
Der Garten ist so eine Art Vorzimmer zum Haus, ein halböffentlicher Bereich, in dem ich mehr Menschen treffe als im Wohnzimmer. Gute Nachbarschaft wird hier gepflegt und Gemeinschaftssinn gestärkt. Ich zeige etwas von mir und lade dazu ein, mit mir in Kontakt zu kommen.
Eine geschlossene Front, die keinerlei Einblick wünscht, wirkt abweisend und erzeugt genau die Art diffusen Misstrauens, das die Bewohner vermutlich zur Errichtung einer solchen Bastion veranlasst hat. Die massive Abgrenzung lässt auf die innere Haltung derer schließen, die sich dahinter aufhalten. Ich frage mich oft, was sich hinter solchen Barrikaden wohl abspielen mag. Kommunikation findet hier kaum statt. Außer Geräuschen (oft besonders laut, da man sich allein fühlt) und Pollenstaub kann nichts rein oder raus. Auch Igel stapfen an diesen undurchdringlichen Barrieren entlang, bis sie allzu oft an der nächsten Straße überfahren werden. Solch isolierte Zellen im Stadtgefüge zeigen der Außenwelt, dass sie nichts mit ihr zu tun haben wollen.
Ist ein Garten von einem durchlässigen Zaun eingefriedet, so findet ein reger Austausch auf verschiedenen Ebenen statt. Der Zaun an sich zeigt an, dass eine Schwelle übertreten wird. Innerhalb dieser Grenze ist mein Garten, außerhalb ist vielleicht ein anderer Garten, ein Weg, eine Wiese, ein Wald. Manche Lebewesen der äußeren Welt können den Zaun überwinden, z.B. Vögel, Insekten, aber auch kleine Tiere, Menschen, die ich dazu einlade oder die nur den Blick im Vorbeigehen schweifen lassen. Wo Grundstücke mit transparenten Einfriedungen aneinandergereiht sind, entsteht ein Eindruck von Weite. Der Garten dehnt sich optisch aus und verschmilzt mit der Umgebung, wird somit als Teil eines größeren Ganzen wahrgenommen. Verantwortungsgefühl über die eigenen Grenzen hinweg entsteht. Sehr deutlich ist dies in Kleingartenkolonien zu spüren. Hier gibt es Regeln für den Umgang mit den Grundstücken und für das Miteinander. Wo in dieser Art Gemeinschaft gelebt wird, wird auch gerne zusammen gefeiert. Und was könnte schöner sein, als ein großes Gartenfest!?!
Auf kleinem Raum können Obstbäume als Spalier gezogen werden. Hier fungiert das Spalierobst als lebendige Einfriedung. Zwischen den belaubten Zweigen dürfen Passanten in die tieferen Bereiche des Gartens spähen. Wenn mein täglicher Weg an einem solchen, lebenden Zaun vorbeiführt, werde ich mich im Frühling an den Blüten erfreuen und im Laufe des Sommers das Reifen der Früchte beobachten. Vielleicht schenkt mir die Besitzerin einen Apfel, der mich schon länger anlacht. Im Herbst fallen allmählich die Blätter und mir wird bewusst, dass es bald Winter wird. Irgendwann beobachte ich dann, wie die Äste der Spalierbäume so gestutzt werden, dass die schmale Form erhalten bleibt und das Fruchtholz gefördert wird. Wenn es der Zufall will treffe ich dabei die Besitzerin und wir kommen ins Gespräch…
Der Plausch über‘n Gartenzaun hat Tradition. Vor allem im ländlichen Raum gibt es noch große Nutzgärten, die den ganzen Sommer über Gemüse und Kräuter für die Familie hervorbringen. Die Bäuerin bestellt diesen Garten. Sie weiß viel über Gemüsesorten, Fruchtfolge, förderliche Mischkulturen, über den Boden und das Wetter. Beim Gespräch über den Gartenzaun können wir voneinander lernen, einander an den Erfahrungen des Jahres teilhaben lassen, neue Ideen entwickeln. Menschen sind soziale Wesen. Sie gedeihen in der Gemeinschaft. Der Garten ist der ideale Ort dafür!